Das Vorbild

Am 29. 09. 1974 kurz vor dem 25. Jahrestag der Gründung der DDR wurde zwischen Zielitz und Schönebeck-Salzelmen der S-Bahn-Verkehr aufgenommen. Obwohl der Betrieb zum größten Teil auf vorhandenen Gleisen abgewickelt wurde und nur 3,3 km Strecke bei Rothensee und ca. 1 km im Bereich des Hauptbahnhofes neu gebaut wurden, waren bis zu diesem Zeitpunkt erhebliche Baumaßnahmen zu bewältigen. Diese liefen zum Teil schon seit 1972, z.B. wurde der neue Bahnhof Zielitz in Zusammenhang mit einem Übergabebahnhof zum Kaliwerk im Oktober 1972 in Betrieb genommen. Mit der Einführung des S-Bahn-Betriebes wurde die Strecke von Magdeburg Hauptbahnhof bis Zielitz sowie von Schönebeck bis Schönebeck-Salzelmen elektrifiziert, 13 Bahnsteige von 300 auf 550 mm über Schienenoberkante erhöht und die Signalanlagen modernisiert. Da aber praktisch mit der Inbetriebnahme sämtliche weitere Investitionstätigkeit schlagartig zum Erliegen kam, konnte die S-Bahn Magdeburg die anfangs in sie gesetzten Erwartungen nie richtig erfüllen.

Mit großer Mühe wurde im Oktober 1977 noch der Haltepunkt Schönebeck-Frohse in Betrieb genommen und Mitte der 80er Jahre der Haltepunkt Schönebeck Süd. Von dem ursprünglich geplanten Ausbau des Netzes war jedoch bald nicht mehr die Rede, die Aufnahme des S-Bahn-Betriebes in Richtung Burg / Gommern bzw. Haldensleben wurde wegen fehlender Investitionsmittel bald fallengelassen. Auch der geplante Neubau einer Strecke zu den Neubaugebieten Neustädter Feld und Olvenstedt unterblieb aus diesem Grund. Lediglich der ca. 2 km lange Abschnitt Abzweig Glindenberg – Barleben wurde elektrifiziert, um in Störungsfällen den Zugumlauf verbessern zu können (2003 wurde die Oberleitung wieder zurück gebaut). Die anfangs benutzte Bezeichnung „Linie A” für die Strecke Zielitz – Schönebeck-Salzelmen geriet deshalb bald in Vergessenheit.

Betrieblich gestaltete sich der Verkehr von Anfang an schwierig, da die S-Bahn zu 95% die Fernbahngleise mitbenutzt und man in falscher Sparsamkeit auf den Einbau von automatischen Blocksignalen zur Verkürzung der Blockabschnitte verzichtet hatte. Demzufolge waren Behinderungen zwischen Fernbahn und S-Bahn an der Tagesordnung und die Verspätung eines Zuges konnte auf Grund der dichten Zugfolge Kettenreaktionen auslösen. Die kurzen Wendezeiten an den Endpunkten, besonders in Zielitz, taten ein übriges. Mitunter musste der Lokführer im Laufschritt den Führerstand wechseln und fuhr trotzdem mehrere Runden seinem Fahrplan hinterher. Wenn es gar nicht anders ging, wurde der Zug auch in Wolmirstedt „geköpft”, d.h. die Weiterfahrt bis Zielitz fiel zur Freude der Fahrgäste aus und der Zug fuhr von Wolmirstedt zurück.

Trotz dieser Unzulänglichkeiten war die S-Bahn bis 1990 auf Grund der mangelnden individuellen Motorisierung und der Zusammenballung des Schwermaschinenbaus im Raum Magdeburg sehr stark frequentiert. Da die ursprünglich vorgesehenen Zugfolgezeiten von 10 min wegen der unzureichenden Sicherungstechnik nicht erreicht werden konnten, waren die Züge besonders im Berufsverkehr fast ständig überfüllt.

An der Strecke befanden sich solche Großbetriebe wie das Kaliwerk Zielitz, das Industriegebiet Rothensee mit Rangierbahnhof, Großgaserei, Plattenwerk (Wohnungsbau), Industriehafen, der Standort Buckau mit Armaturenwerk, Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht” (SKL), Thälmannwerk (SKET) und Rangierbahnhof sowie Schönebeck mit Traktoren- und Sprengstoffwerk.

Die Linienausrichtung der Überlandbusse auf Wolmirstedt und Schönebeck trug mit den daraus resultierenden Umsteigern zur hohen Belastung der S-Bahn bei. An den Wochenenden sorgten der Neustädter und Barleber See sowie der Kurpark in Schönebeck-Salzelmen für regen Ausflugsverkehr.

Die Magdeburger S-Bahn hat jedoch gegenüber den anderen S-Bahn-Betrieben der ehemaligen DDR einen entscheidenden Unterschied aufzuweisen, der für den dramatischen Rückgang der Fahrgastzahlen nach 1990 mit verantwortlich ist: sie hat für den innerstädtischen Verkehr in Magdeburg kaum Bedeutung, da die meisten Bahnhöfe und Haltepunkte relativ abgelegen sind. Die Hauptursache ist natürlich der Zusammenbruch des Schwermaschinenbaus. Während früher ein Zug aus 5 Mitteleinstiegwagen bestand, sind heute nur noch 2 Doppelstockwagen an der Lok.

Mitte der 70er Jahre war vorgesehen, den Fahrzeugpark durch Einsatz der damals neu entwickelten Triebwagen der Baureihe 280 zu ersetzen. Die Baumuster liefen auch in Magdeburg im Probebetrieb, zu einer Serienfertigung kam es jedoch nicht. Deshalb blieben uns die Mitteleinstiegwagen, die eigentlich zur Zeit der S-Bahn-Eröffnung bereits moralisch und technisch verschlissen waren, bis Ende der 80er Jahre erhalten.

Heute verkehrt die S-Bahn im starren Fahrplan tagsüber alle 30 min. Da der öffentliche Personennahverkehr im Raum Magdeburg und Umgebung insgesamt vernachlässigt wird, sind spektakuläre Veränderungen in der nächsten Zeit nicht zu erwarten.

Hinweis zum Artikelfoto: Magdeburg, S-Bahnstation Eichenweiler 1975 von Rainer Dill